Features 2024

Sie sind es gewohnt, die Last allein zu tragen

Geschrieben von Håndverksgruppen (annual report) | 20.12.2024 12:34:10

Doch das geht nicht für immer. Es kommt der Punkt, an dem sich auch die stärksten Unternehmensleiter jemanden an ihrer Seite wünschen, der Teile des Gepäcks übernimmt. Ein Partner. Der dabei hilft, Tradition und Qualität des Betriebs auch zukünftig zu erhalten. Wenn es im Unternehmen keinen natürlichen Nachfolger gibt: Wie behält der Betrieb das, was ihn besonders wertvoll macht: seine DNA?


Man darf sich die zwei Malermeister Olaf und Wolfram als zufriedene Unternehmer vorstellen. Weil ihre Betriebe sehr gut laufen. Und weil sie ein gewichtiges Problem gelöst haben. Eines, das ihnen eine Zeitlang nachts den Schlaf geraubt hat.

Zufrieden – und dennoch schlaflos

Olaf Übelacker und Wolfram Beck leiten jeweils sehr erfolgreiche Malerunternehmen. Olaf in München, Wolfram im Raum Stuttgart. Beide führen ihre Unternehmen mit viel Engagement und großer Leidenschaft. Sie setzen auf Qualität und Innovationen, verfügen über eine treue Stammkundschaft und genügend Fachkräfte. Wie kam es also dazu, dass die beiden unabhängig voneinander vor einigen Jahren nachts wach lagen? Und dass sie abends nicht mit Freunden oder der Familie zusammensaßen, sondern allein vor Papieren und Zahlen brüteten?

Ein Plan wird zum Problem

In diesen Abendstunden verwirklichten Olaf und Wolfram jeder für sich einen Plan. Und so seltsam es klingt, aber: Dieser Plan war das Problem.


Olafs Unternehmen ist in München eine bekannte Marke. Der Nachname Übelacker ist bei den Kunden so bekannt wie der FC Bayern oder die Frauenkirche. Gegründet hat den Betrieb sein Großvater, der in den 1930er-Jahren aus dem Nichts einen Betrieb mit 30 Mitarbeitern aufbaute.. Olafs Vater machte die Firma zu einem solide wachsenden Handwerksunternehmen. Olaf übernahm den Betrieb in dritter Generation, entwickelte ihn weiter und brachte viele neue Ideen ein. Eine von ihnen ist der eindrucksvolle Showroom im Münchner Norden, in dem Olaf und sein Team zeigen, wie es gelingt, hochwertige Farben und Oberflächen in Wohnräumen zu integrieren.

Die Lösung? Passte Olaf erst gar nicht

„Ich arbeite sehr viel und erfolgreich“, sagt Olaf. „Mir ist bewusst, dass ich viel erreicht habe. Es gibt eigentlich keine unerfüllten Träume mehr. Aber es gibt ein Ziel: Dass die Geschichte des Unternehmens nicht mit meinem Namen endet.“ Ein Wunsch, den er mit seinem mittlerweile verstorbenen Vater teilte, als er ihn noch einmal im Krankenhaus besuchte. Eigene Kinder hat Olaf nicht. Sein Stiefsohn arbeitet im Unternehmen mit, absolviert bald seinen Master of Finance, mit der Absicht, eigene Wege zu gehen. Wer also könnte derjenige sein, der auf Olaf folgt?

Eine schnelle Lösung gab es nicht. Erst fünf Jahre später fand er eine Antwort. Eine, von der er zunächst dachte, dass sie überhaupt nicht zu ihm passt…

Ein Maler mit Mission

Rund 230 Kilometer weiter westlich, in der Region Stuttgart, denkt Wolfram Beck sehr häufig über sein Handwerk nach. Dass er den Betrieb seines Vaters übernehmen würde, war alles andere als eine abgemachte Sache. Wolfram startete mit ersten Kontakten, um sich zum Bankkaufmann ausbilden zu lassen, stellte aber bald fest, dass ihm bei der Arbeit mit Zahlen etwas fehlte: Kreativität. Diese suchte er sich im Malerbetrieb seines Vaters. Wolfram entwickelte eine echte Leidenschaft für dieses Handwerk. Eine Leidenschaft für Farben und Oberflächen. Und schon bald begab er sich auf eine Mission.


„Der Malermeister war früher der wichtigste Partner des Architekten, beide standen in einem konstanten Austausch“, sagt Wolfram. Als er in den 1980er-Jahren seine Ausbildung im väterlichen Betrieb begann, war das anders. „Die Expertise und das Know-how von Malern waren nicht mehr gefragt. Ich fand das falsch – und wollte, dass sich das wieder ändert.“ Damit war Wolfram ein Maler mit einer Mission: Die Stellung des Malerhandwerks zu verbessern. „Wenn ich mir anschaue, wie unser Team heute mit einbezogen wird, dann kann ich sagen: Mission erfüllt.“

Mit Mitte 50 an die Zukunft denken

Zwei erfolgreiche Unternehmer. Und dennoch diese schlaflosen Nächte. Warum? Und was hat das mit diesem Plan zu tun, den die beiden unabhängig voneinander geschmiedet haben?


Der Plan also lautete: Mit Mitte 50 muss es passieren. Das war beiden klar. Mit Mitte 50 wollten sie Antworten auf die Frage finden, wie es mit ihren Unternehmen weitergeht, wenn die Zeit gekommen ist, einen Schritt zurückzutreten. Nicht in den Ruhestand – das können sich Olaf und Wolfram zunächst einmal gar nicht vorstellen, dafür arbeiten sie viel zu gerne. Klar ist beiden aber auch: Ab einem gewissen Alter wird sich ihre Rolle ändern. Bis zu dem Moment, wenn sie gar nicht mehr arbeiten können – oder wollen. Und wer sich erst dann Gedanken über die Zukunft des Unternehmens macht, der ist zu spät dran. Der gefährdet den Erfolg. Das Erbe. Die Mission.

Es ändert sich nichts – und alles

Also starteten Olaf und Wolfram jeweils mit Mitte 50 den Prozess. Den Nachfolgeprozess. Sie beobachteten, wie andere Unternehmer aus ihrem Bekanntenkreis das Problem angegangen sind – und fanden dabei heraus, wie sie es nicht machen wollten. Sie unterhielten sich mit Interessierten und Investoren, prüften verschiedene Modelle, das Unternehmen zu übergeben. Nie passte es. Was zumeist nicht am Geld lag. Sondern daran, dass etwas verloren gehen würde. Etwas sehr Wertvolles, das man nicht in Geld aufwiegen kann.


„Für mich kam nie eine Lösung in Frage, bei der ich mein Unternehmen abgebe und dieses damit meinen Namen verliert“, sagt Olaf. „Bei mir war es klar, dass die Lösung garantieren muss, dass unser hoher Anspruch an das Malerhandwerk nicht leidet“, sagt Wolfram. Beide Unternehmen besitzen eine sehr besondere, individuelle DNA. Und diese muss unbedingt bestehen bleiben. Auch dann, wenn sich die Unternehmer zurückziehen. Wolfram bringt den Anspruch auf den Punkt: „Einerseits soll sich nichts ändern, andererseits alles.“

Wie um Himmels Willen löst man ein solches Dilemma auf?

Eine Bitte: So weitermachen wie bisher

Eines Tages bekam Olaf Besuch aus Norwegen. Zwei Verantwortliche von HG hatten sich angemeldet, um ihr Konzept vorzustellen. Das Konzept einer sehr besonderen Gruppe, in der Unternehmen partnerschaftlich miteinander verbunden sind. Olafs erster Gedanke an diesem Tag? „Ich war nicht sehr optimistisch. Weil ich befürchtete, dass ich als Teil einer Gruppe die Eigenständigkeit verlieren würde.“

Doch er wurde überrascht. Vom Interesse der beiden Besucher an der Art und Weise, wie er sein Unternehmen führt. Von ihrer Empathie. Und vor allem von der Bitte, Olaf möge bitte nichts an seiner Arbeit ändern. Denn warum ein Unternehmen verändern, das seit vielen Jahren mit dem, was es tut, Erfolg hat?

Einen Nachfolger fördern? Funktioniert mit Hilfe

„Das Angebot von HG lautete: Mach weiter dein Ding – und profitiere dabei von den Partnerschaften“, sagt Olaf. „Ich verlor meine Skepsis gegenüber der Idee, Teil einer Gruppe, wie HG sie aufgestellt hat, zu werden, als mir klar wurde, was das konkret bedeutet. ƒ Denn, Hand aufs Herz: Ein Unternehmen leiten und parallel einen geeigneten Nachfolger mit allen Fähigkeiten auszustatten – das schafft man nicht allein. Dabei braucht man Hilfe.


Auch Wolframs Unternehmen ist nun ein Teil der Gruppe. Heute hat er sich mit seinem Auto auf den Weg nach München gemacht, um Olaf in seinem Showroom zu besuchen. Schnell entwickelt sich zwischen den beiden Malermeistern ein anregendes Expertengespräch über Farben und Formen, aufwändige Oberflächen und individuelle Kundenwünsche. Aber auch darüber, was es bedeutet, ein Unternehmen nicht nur zu führen, sondern auch die Vorsorge zu treffen, es weiterzugeben. Wolfram hat dafür ein eindrucksvolles Bild gefunden: Das eines Rucksacks, den man als Unternehmer immer mit sich trägt.

Einführung in die Rucksack-Theorie

„Ich habe diesen Rucksack viele Jahre lang allein getragen“, sagt Wolfram in einer Kaffeepause zu Olaf. „Ihn ablegen? Das konnte und wollte ich nicht. Der Rucksack war immer da.“ Darum auch manch eine schlaflose Nacht, besonders in der Zeit, als der Prozess der Nachfolge noch nicht geregelt war. Wolfram hat diesen Rucksack bereitwillig getragen. Klar war für ihn aber auch: Die Zeit wird kommen, wenn er den Wunsch spürt, die Last zu teilen. Etwas von der operativen Verantwortung abzugeben. An Partner, die mit frischen Kraftreserven Teile der Last übernehmen. Zum Beispiel, indem sie Mitarbeiter des Unternehmens befähigen, innovativ zu sein und selbst verantwortungsvolle Aufgaben zu übernehmen. Auch Leitungs- und Führungsaufgaben. “HG eröffnet mir einen Raum von Möglichkeiten, den Rucksack so zu tragen, wie ich das möchte. Dazu gehört auch, ihn Schritt für Schritt leichter zu machen”, sagt er.


Olaf hört Wolframs Ausführungen sehr aufmerksam zu. Er nickt und denkt an die Abende zurück, an denen er darüber nachdachte, wie er das Unternehmen für die Zukunft fit machen könnte. Für eine Zukunft mit ihm in einer anderen Rolle. „Es fühlt sich einfach gut an, mit diesem Problem nicht mehr allein zu sein“, sagt Olaf. Und jetzt nickt auch Wolfram und fügt hinzu: „Keine schlaflosen Nächte mehr!“